Das Behandlungskonzept

Die Behandlung von ADS muss maßgeschneidert sein auf die individuellen Probleme des einzelnen Kindes. Ziel sollte sein, daß Kinder und ihre Umwelt miteinander zurecht kommen. Sie beruht auf drei Säulen:

1. Elternarbeit

Dies ist die wichtigste und tragfähigste Säule. Durch umfassende Informationen muss bei Eltern, "Patient" und sozialem Umfeld (hiezu gehört auch die Schule) Verständnis für ADS geweckt werden. Praktische Tipps und Eltern-Kind-Training helfen, manche schwierige Klippe im Alltag zu umschiffen. Wichtig sind auch Arbeitsbündnisse im sozialen Umfeld, der Dialog zwischen Eltern, Lehrern und Erziehern. Konfrontation ist hier wenig hilfreich, aber leider häufig.

2. Beseitigung von Begleitstörungen

ADS kann Folgen haben, die dringend behandelt werden müssen:

  • Lernstörungen wie Legasthenie oder Rechenschwäche, bedingt durch Störungen in der Feinmotorik oder der mangelnden Aufnahmefähigkeit
  • Schwierigkeiten in der sozialen Integration, da die Kinder praktisch permanent ablehnende und negative Reaktionen aus ihrem sozialen Umfeld bekommen. Hierauf reagieren sie wiederum, indem sie zum Klassenclown werden oder sich in Opferrollen drängen lassen, um es ja recht zu machen. Häufig sind es auch gerade sie, die mit dem "Finger im Marmeladentopf" erwischt werden, den "clevere" Kameraden längst leer gegessen haben. Ihnen geht außerdem oft das Fingerspitzengefühl für die "feinen Zwischentöne" in der Kommunikation ab, so dass sie undiplomatisch oder "ungezogen" wirken.
  • Emotionale Schwierigkeiten wie ein stark herabgesetztes Selbstbewußtsein und Angst, was durch "nassforsches" Auftreten kompensiert wird. "Große Klappe, nichts dahinter" ist nicht selten...
  • Häufig sind auch die Familien durch ADS stark belastet. Familiäre Schwierigkeiten verstärken andererseits wieder die Symptome, so dass ein regelrechter Teufelskreis entsteht.
    Bei diesen unterschiedlich ausgeprägten Folgen sind individuell angepasste Fördermaßnahmen erforderlich: Legasthenie-Behandlung, Heilpädagogik, Ergotherapie oder auch Psychotherapie, v.a. mit familiären Ansätzen, gehören in den Behandlungsplan.

3. Die medikamentöse Behandlung

a) Psychopharmaka

Hier stehen bei der Behandlung sogenannte Stimulantien an erster Stelle. Psychopharmaka sind wie ein Gips bei gebrochenem Bein, sie können in Krisensituationen ungeheuer entlastend und stabilisierend sein, ersetzen aber nicht das Laufenlernen. Und nicht jedes "ADS" ist ein Beinbruch.

Noch mehr Pillen für den Zappelphilipp?

Sehr beunruhigend finde ich persönlich Argumente, die die Eltern massiv unter Druck setzen, derartige Medikamente einzusetzen. Denn:

  • Stimulantien sind als alleinige Behandlungsmaßnahme nicht ausreichend. Sie wirken, solange angewendet. Positive Langzeiteffekte nach Absetzen konnten bisher nicht ausreichend belegt werden. Derzeit werden aber häufig neben der medikamentösen Therapie, die so wichtigen anderen Begleitbehandlungen nicht durchgeführt. Dies ist auch Folge der einschränkenden Gesundheitspolitik (Budget).
  • Es wird behauptet:" Stimulantien seien sicher," da sie teilweise seit mehr als 50 Jahren im Handel sind und hier ein "positives" Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen. Der Beipackzettel enthält allerdings eine Reihe von möglichen Nebenwirkungen, die unter der Behandlung mit Psychopharmaka bekannt geworden sind. De facto sind die Stimulantien ein "Produkt der 90er Jahre." Seit 1990 hat die Verordnungshäufigkeit in den USA um mehr als 800% zugenommen. Und auch hier in Deutschland erleben wir einen "Boom". So standen 1990 nach Verkaufszahlen geschätzt ca. 1200 Kinder unter Stimulantien, 1999 waren es 41.000. Seltenere und ernste Nebenwirkungen entdeckt man häufig erst bei größeren Anwendungszahlen, so dass bei diesen Medikamenten wohl noch nicht alle potentiellen Risiken beobachtet bzw. gemeldet wurden.
  • Stimulantien gelten heute als alleinige "rationale" medikamentöse Behandlungsform von ADS.
  • "Alternative" Therapie-Ansätze wie z.B. Homöopathie werden rigoros abgelehnt, teilweise ohne fundierte Sachkenntnis dieser Behandlungsform.

b) Homöopathie bei ADS

Homöopathie kann alternativ oder ergänzend ein wichtiger Bestandteil der medikamentösen Therapie sein, wohlgemerkt im Rahmen eines umfassenden, individuellen Behandlungskonzepts. Aufgrund des wesentlich günstigeren Nebenwirkungsprofils und des langfristig angelegten Wirkprinzips würde ich mich im Interesse der Betroffenen über mehr Offenheit gegenüber diesem Verfahren sehr freuen. In meiner Praxis kommen ca. 85 % der ADS Kinder ohne Psychopharmaka aus und die durchschnittliche Tagesdosierung liegt deutlich unter den sonst häufig verordneten Tagesdosen.

Das es auch anders gehen kann, verdeutlichen die beiden folgenden Beispiele:

John - auch ohne Psychopharmaka klappt es!
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Manfred - ADS und mehr
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Abschließend noch ein Appell an uns alle:

Wenn die gegenwärtigen Schätzungen zutreffen, dass 3 - 10% der Kinder an ADS leiden, müssen wir als Gesellschaft Verantwortung übernehmen und Umgangsformen, vor allem im Bildungssystem finden, um diesen Kindern und späteren Erwachsenen gerecht zu werden. Wir können es uns nicht leisten, sie und ihre Familien "im Regen" stehen zu lassen, dazu sind sie in jeder Hinsicht zu wertvoll.